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Alleesaalgebäude
Bad Schwalbach



Die Restaurierungsarbeiten - eine entdeckungsreiche Spurensuche

Zusammenfassung des Vortrages zum Tag des offenen Denkmals am 14.09.97


Zu Beginn der Renovierungsarbeiten im Jahre 1996 konnte man nur wenig ahnen vom Glanz dieser historischen Räume, in dem sie heute erscheinen. Die weiß überdeckten Räume zeigten kaum noch Profil; Risse und Abplatzungen überzogen Decken und Wände. Nach der Befunderstellung im Mai starteten im November die Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten zunächst mit den Fußbodenarbeiten Beim Entfernen des schadhaften Parketts zeigte sich, dass diese Ausführung 1935 verlegt wurde, dem Jahr, als der vordere Gebäudeteil dem Bau der Straße weichen musste. Nach Sanierung des desolaten Unterbodens und dem Einbringen eines Zwischenbodens konnte das neue Eichenstabparkett in 60/60er Würfeln, eingefasst mit 2 Mooreichestäben und einem Randfries verlegt werden. Im Zuge der Restaurierung wurde im Haus eine hochsensible Infrarot-Brandmeldeanlage installiert mit direkter Verbindung zur Feuerwehr. Ab Dezember 96 standen dann die Gerüste. Es folgte die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Wandaufbauten und es wurde daraus auch eine Begegnung mit der Zeit. Es war in den 60er Jahren des 19. Jhdt. als die Räume im Stil Louis XVI ausgebaut wurden. Dieser wird in Frankreich als die erste Epoche des Klassizismus benannt. Lisenen und Gesimse gliedern die Wände. Es gibt Pilaster mit Kanneluren; in den unteren Wandfeldern Nymphenarabesken und oben Rosengirlanden. Eier-, Perl- und florale Windenstäbe umrahmen die einzelnen Bereiche; Zahnleisten ziehen sich entlang der Deckenunterzüge, Triumpfkränze mit Fackeln und Posaunen, Jagdtrophäen, Vasen und Gebinde sind aufgebracht. Alles ist in der Anlage und im Detail klar und zierlich. Die Stärke liegt im Formenreichtum und in der Eleganz. Man sieht, dass die barocke Ordnung zwar schon noch vorhanden, aber weniger streng ist und auf der anderen Seite die überladene Verspieltheit des Rokoko zurückgenommen wurde. Im Laufe der folgenden Monate wurde zunächst die Oberflächenverschmutzung abgewaschen, Hohlstellen und absturzgefährdete Partien des Stuckmörtels lokalisiert und dann durch Hinterspritzen mit anorganischem Injektionsmörtel wieder befestigt. Im Bereich starker Rissbildung wurden zusätzliche Sicherungen durch Verschrauben vorgenommen, vorhandenen Risse konisch geöffnet und ebenso wie kleine Fehlstellen in der Stuckierung mit Stuckgips geschlossen. Mit der intensiven und detailierten Feinarbeit an den Decken und Wänden wuchs der Kontakt zu dem Haus. Im Befundbericht ging man noch davon aus, dass die Räume erst in den 60er Jahren dieses Jhdts. mit weißer Farbe überstrichen worden waren. Bei den umfangreichen Nachforschungen in den Archiven zeigte sich allerdings, dass schon die Fotos um 1900 nicht mehr die ehemalige Farbigkeit und Vergoldung wiedergeben. Die Räume sind offensichtlich im Laufe der Zeit immer wieder verändert und dem jeweiligen Zeitgeist angepasst worden. Die Decken in beiden Räumen wiesen erhebliche Risse auf; über dem Lesesaal waren im Jahre 1969 Teilbereiche eingestürzt und mussten erneuert werden wie auch große Flächen der Einputzung, die nicht mehr auf dem Untergrund hafteten. Die Hauptursache dafür ist in der Kombination des Fachwerkbaues und seinem lebendigen Holzgefüge mit den starren Gipsausbauten zu sehen, was immer wieder zu Spannungen führt. Nach dem Ausbesserungsarbeiten wurden Decken und Wänden mit einer Tiefgrund- Wandfarbe in gebrochenem weißen Farbton grundiert. Die schadhaften Holzsockelbereiche der beiden Säle wurden zunächst mit Anlauger von der Oberflächenverschmutzung befreit, die Risse durch Ausspänen mit Weichholz ergänzt, kleinere Fehlstellen mit Oelspachtel geschlossen. Anschließend erfolgte auch hier die Grundierung in einem gebrochenen weißen Farbton.

Ein Foto aus dem Hotelprospekt von 1900 bestätigte unsere These, dass die Fenster im Lesesaal seitlich des Kamines ursprünglich nicht vorhanden waren. Auch zeigt das Bild Stuckornamente in den großen Wandfeldern. Der Raum war früher an den Wänden insgesamt reicher ausgestattet und dem Gesellschaftssaal stärker angepasst, worauf auch die noch im Original vorhandenen Türportale und der Kamin mit den feinen Verzierungen hinweisen. Die Fenster erhielten die im ursprünglichen Bau vorhandenen Quersprossen, um sie wieder der Kleingliedrigkeit der Räume anzupassen. Die Farben im Gesellschaftssaal konnten nach den Freilegungen recht klar bestimmt werden; so ist der Saal heute wieder im hellbeigen Grundton mit rose-farbenen Absetzungen in den glatten Decken- und Wandflächen zu sehen. Die Emulsionsfarbe ist in bewegtem Auftrag angelegt, das heisst, eine leichte Wölkung, die den Charakter der ursprünglichen Kalkfarbe aufnimmt, lässt die Flächen lebendiger und transparenter erscheinen. Im Lesesaal musste die Spurensuche erheblich intensiver erfolgen, bevor feststand, wie die Wandflächen ursprünglich angelegt waren, und es ist nicht eindeutig zu klären, ob es sich bei diesem Befund tatsächlich um die erste Fassung aus den 60er Jahren des 19. Jhdts. handelt. Heute ist der Lesesaal im Deckenbereich in beigen Farbtönen und an den Wänden in den Beigetönen mit blaugrauen Absetzungen in bewegtem Auftrag in den Wandfeldern zu sehen. Ihren Glanz erhalten die Räume durch die zahlreichen Oelvergoldungen. So sind alleine im Gesellschaftssaal ca. 900 lfdm Vergoldung aufgebracht; im Lesesaal ca. 600 lfdm von ehemals ca. 900 lfdm vorhandenen ausgeführt. Dabei wurden die Flächen zunächst mit einem gelben Bolus (oelgebundene Pigmente) unterlegt; darauf folgte ein Anstrich mit Mixtion, dem Klebemittel für das Gold. Nach der Trocknung, hier 12 Stunden, wurde das Gold - 22 1/2 Karat (hochwertiges Blattgold) - angeschossen. Später wurde alles noch einmal angedrückt und poliert. Diese filigranen Arbeiten zogen sich über 3 Monate hin. Bei allen Arbeiten standen neben der Erhaltung und der Wiederherstellung immer die finanziellen Überlegungen und die Wirtschaftlichkeit der Nutzung der Räume im Vordergrund. Für die erweiterte Nutzung des Gesellschaftssaales auch als Bankettraum wurden neue Stühle nach altem Vorbild ausgewählt, die in Höhe und Form der Raumgestaltung angepasst und multifunktional verwendbar sind. Die Bezüge sind dunkelblaue Streifen- und Ornamentdessins, die auch in den noch verwendbaren und neu aufgearbeiteten Sesseln für den Lesesaal wieder erscheinen und den lichten, filigranen Räumen eine Erdung geben. Über die Originalbestuhlung aus dieser Zeit gibt es keine Unterlagen. Die vorhandenen Fotos stammen erst ab Ende des 19. Jhdts. und zeigen Möbel aus dem Biedermeier, der Gründerzeit sowie Jugendstilinventar. In dem Hotelprospekt aus der Jahrhundertwende ist auch das frühere Vestibül in reinem Jugendstil zu sehen. Es reichte damals über den heute noch stehenden Teil um die gleiche Breite in den später abgerissenen Teil hinein. Etwa einen halben Meter hinter dem Eingang zum Gesellschaftssaal war der Vorraum durch eine kunstvolle Holz/Glastrennwand abgeteilt und als Vestibül und Raucherzimmer genutzt. Nach dem Abriss fungierte dieser Bereich als Vorraum mit Empfangstresen und Garderobe. Der Raum ist heute der neuen Nutzung angepasst, dient als Arbeitsbereich der Kurverwaltung und bei Veranstaltungen als Foyer. Mit der Restaurierung wurden keine erstarrten Museumsräume geschaffen, vielmehr sollen die Räume den Kurgästen sowie der Bevölkerung zur Verfügung stehen und ganz im Sinne der ursprünglichen Erstellung wieder für gesellschaftliche Veranstaltungen aller Art genutzt werden.

H. Schätzel

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